Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualiseren Sie auf Edge, Chrome, Firefox.

Kapitel 3

Durch Alexander Müllegg, dessen Nachlass zu Teilen dem Kunstmuseum Thun geschenkt wurde, kam etwa auch die Akt-Zeichnung Schlatters in die Sammlung. Der weiblichen Auffassung des Akts stellen wir mit Müllegg, Hans Gerber und Gustav Stettler drei äusserst unterschiedliche männliche Positionen zur Seite und thematisieren damit den sogenannten Male Gaze, den männlichen Blick auf den weiblichen Körper.

Während Mülleggs Frauenfigur eine üppige, fast schon barocke Körperlichkeit zur Schau stellt, bleibt sie gesichtslos. Gerbers Somptueuse (dt: «Die Prachtvolle») ist dagegen in ihrer abstrahierten Form den ästhetischen Vorlieben von Kunst, aber auch Design der Zeit, in der sie entstanden ist, nahe. Stettlers sitzender Akt zeigt sich unmittelbar und verletzlich, aber auch ungeschönt und selbstverständlich. Darin erinnert die Darstellung an Werke der Neuen Sachlichkeit. Stettlers Werk widmen wir im nächsten Jahr eine umfassende Ausstellung.

Den Reigen der entblössten Frauenkörper beschliessen wir mit einem Selbstbildnis von Klaudia Schifferle, das 2019 als Teil einer Schenkung von Marianne Baumann-Ingold an den Förderverein des Kunstmuseums Thun in die Sammlung gelangte. Schifferle ist eine der bedeutendsten Schweizer Künstlerinnen der Gegenwart und verhandelt in ihrer Arbeit seit den 1970er Jahren Themen der spannungs- und konfliktgeladenen menschlichen Existenz.

Der Akt ist ein oft gewähltes Motiv von Alexander Müllegg. Dies zeigt sich in den unzähligen Skizzenbüchern, die sich als Nachlass in der Sammlung des Kunstmuseum Thun befinden. Über 100 solcher sind gefüllt mit Zeichnungen von Akten, Landschaften und Ideenskizzen. Ein solcher Nachlass bietet dem Museum eine einzigartige Ausgangslage, um das Werk eines Kunstschaffenden zu studieren und kontexualisieren

Der Nachlass kam im Sommer 1982 nach dem Tod von Alexander Müllegg nach Thun. Doch bereits über zehn Jahre davor, am 4. Februar 1971, hielt Müllegg testamentarisch fest, dass sein künstlerischer Nachlass – bestehend aus Zeichnungen, Aquarellen, Ölmalereien und einigen Grafiken – ins Kunstmuseum kommen sollte. Der Berner Maler zeigte damit seine tiefe Wertschätzung gegenüber dem Kunstmuseum Thun und dessen Ausstellungs- und Sammlungspolitik. Aufgrund von zwei Ausstellungen war eine grosse Verbundenheit mit dem Haus entstanden: «Da ich im Verlauf von 40 Jahren in allen Schweizer Städten ausstellte, so habe ich nirgends eine so persönlich-menschliche Note vorgefunden. Dazu ist vorzuheben, dass Thun in seiner kurzen Zeit eine Sammlung schuf, für die sie grössere Städte beneiden dürften. Dass letzten Endes mein Angebot auch meiner ganz allgemeinen Sympathie für Thun Rechnung trägt, versteht sich am Rande.» (Brief von A.M. an den Gemeinderat der Stadt Thun, 5.6.1971). So wurde die Kunstsammlung, welche ursprünglich nur 3 Werke von Müllegg beinhaltete, auf einen Schlag um über 400 Werke bereichert. Die Schenkung seines Nachlasses knüpfte der Künstler an keine Bedingungen: Er stellte es dem Museum frei, die Werke zu behalten, oder zu einem späteren Zeitpunkt zu verkaufen. Die Werke blieben bis heute in Thun, erlaubt doch die Sammlungspolitik des Kunstmuseums keine Verkäufe.

Auch das Werk von Hans Gerber entstammt einem Nachlass. Hans Gerber wuchs in Steffisburg auf und ging in Thun zur Schule. Obwohl Gerber den grössten Teil seines Lebens fernab von Thun verbrachte, stellte er immer wieder in der Stadt aus, unter anderem in der Galerie Aarequai. Nach seinem Tod 1978 übernahm sein Freund, der Schriftsteller Hans Walter, die Verwaltung seines Nachlasses. Dieser übergab dem Museum in mehreren Etappen Werke aus unterschiedlichen Schaffensperioden Gerbers. So kehrt das Werk in Gerbers Heimat zurück. Zwei Jahre nach dem Tod des Künstlers veranstaltete das Kunstmuseum Thun 1980 eine Gedächtnisausstellung in ihren damaligen Ausstellungsräumen im Schloss Schadau. Dabei wurden die plastischen Arbeiten gemeinsam mit den Collagen aus den späteren Jahren präsentiert. Walter würdigte seinen Freund mit einer Monografie, die er 1982 herausgab. Zudem forcierte er in den 1990er-Jahren die Errichtung des «Hans Gerber-Fonds“, welcher 1996 aus dem Nachlass von Walter 1996 finanziert wurde. Dieser hat das Ziel, die Erschliessung, Präsentation und Betreuung der künstlerischen Werke Gerbers finanziell zu unterstützen. Heute umfasst sich der Nachlass Hans Gerber im Kunstmuseum Thun auf über 350 Kunstwerke.

Fred Hopf, Selbstbildnis, o.D.
Fred Hopf, Thunersee Winter, o.D.

Der erste Nachlass kam von Fred Hopf 1951 in die Sammlung. Der Stadtrat hatte im Dezember unter dem Vorsitz seines damaligen Präsidenten Emil Baumgartner beschlossen, Werke des 1943 verstorbenen Thuners für die neue Städtische Sammlung anzukaufen. Die Begründung: «Damit wird dem grossen Bedarf an Bildern zu Geschenkzwecken und für die Ausgestaltung der Schulhäuser Rechnung getragen und ein späteres Abwandern dieser Werke nach Deutschland verhindert»“. (Der Bund, 17. Dezember 1951). Die Stadt zahlte der Witwe Hopfs schliesslich 20’000 Franken für 76 Ölgemälde und 54 Aquarelle. Am 8. März 1952 wurden die Werke in einer Ausstellung für einen Monat der Öffentlichkeit präsentiert.