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Aus dem Museumsalltag

Eva Grädel im Interview

Eva Grädel leitet das Community- Building-Projekt paul&ich im Zentrum Paul Klee. Wir wollten alles dazu wissen.

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Liebe Eva, um was geht es bei paul&ich und was ist deine Rolle beim Projekt?

Paul&ich ist ein Pionierprojekt, um das Zentrum Paul Klee lokal und regional stärker zu verankern. Die Berner*innen sollen darin in partizipativen Prozessen die Entwicklung des Zentrum Paul Klee mitgestalten können. Dafür suchen wir aktiv den Kontakt und den Austausch mit unseren Nachbar*innen. Als Projektleiterin nehme ich die Rolle der Brückenbauerin und Moderatorin ein. Ich baue den Austausch mit verschiedenen Akteur*innen aus dem Quartier und der Stadt auf. Ich hole deren Bedürfnisse und Ideen in Bezug auf das Zentrum Paul Klee und seine Funktion im Quartier ab und bringe die verschiedenen Interessen dann zusammen. Nicht selten entstehen hier bereits neue Ideen, die in einem weiteren Schritt von mir für den Mitwirkungsprozess moderiert werden.

Portrait: Eva Grädel, Foto: Monika Flückiger

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Paul&ich ist auf drei Jahre von Engagement Migros (mit-)finanziert. Welchen Ausblick kannst du nach eineinhalb Jahren Projektarbeit geben?

Aus der Projekt-Halbzeit nehme ich bisher drei Erkenntnisse mit: Es besteht Interesse und Wille auf Seite der Quartierbevölkerung, sich in den Prozess der Weiterentwicklung Zentrum Paul Klee einzubringen. Dieser Beteiligungsprozess erfordert viel Zeit und Flexibilität auf allen Seiten. Um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, ist der teaminterne Prozess, den ein Projekt dieser Art auslöst, genauso wichtig wie derjenige mit den Nachbar*innen.

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Welche Zielsetzungen gibt es für die ersten zwei Jahre Projektlaufzeit?

Bei paul&ich setzen wir auf qualitative wie quantitative Wirkungsmessung, was auch den Fördergrundsätzen von Engagement Migros entspricht. Dabei finden Besucherzahlen bei paul&ich-Veranstaltungen genauso Beachtung wie individuelle Rückmeldungen von Beteiligten aus dem Quartier. Paul&ich hat viel mit einer Wahrnehmungs- und Haltungsveränderung zu tun, was ein langfristiger Prozess ist. Klare Tendenzen werden hier wohl erst nach fünf bis zehn Jahren möglich sein. Gerade in Bezug auf die Besucherzahlen hat Covid-19 überdies eine repräsentative Wirkungsmessung verunmöglicht. Dafür erfreuen sich unser Projektblog paulundich.ch sowie der #CommunityMonday auf Social Media zunehmender Beliebtheit. Generell stellen wir aber fest, dass unsere Kontaktaufnahme von der Quartierbevölkerung sehr geschätzt wird. Ein Vertreter eines Quartiervereins hat einmal festgestellt: «Es freut einen halt schon, gefragt zu werden.» Für mich liegt die Kernwirkung genau dort. In der Erkenntnis, dass es bei paul&ich um die einzelnen Menschen geht und dass dieses Interesse aufrichtig ist. Es ist zum Beispiel auch wichtig, sich in einem Projekt wie diesem nicht hinter einem Haus zu verstecken. Uns geht es um den persönlichen Austausch mit den Berner*innen, das fordert aber auch, dass wir als Team von Individuen auftreten.

An der Ideenwerkstatt, Anfang 2020, haben über 80 Nachbar*innen ihre Ideen und Anregungen für die weitere Entwicklung des Zentrum Paul Klee aktiv eingebracht.

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Das erste umgesetzte Projekt war Ende letzten Jahres das Bauhaus-Laternenfest. Kannst du uns kurz sagen, um was es hier ging?

Ausgehend von einer von Paul Klee gestalteten Einladung zu einem Laternenfest am Bauhaus (1922) und den Räbeliechtliumzügen, welche traditionell im November stattfinden, entstand die Idee eines Bauhaus-Laternenfests, welches im Rahmen von paul&ich Quartiertraditionen und Bauhaus verbinden sollte. Inhaltlich war es eine Mischung aus traditionellem St. Martins- oder Räbeliechtliumzug und einer Vermittlungsveranstaltung zur Ausstellung bauhaus imaginista.

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Welches Feedback hast du erhalten?

EG: Das war sehr zahlreich, von Teilnehmer*innen und aber auch aus unserem Team. Besonders gefreut hat uns, dass alle Akteur*innen aus dem Quartier, die bei der Erarbeitung und Umsetzung der Veranstaltung mitgewirkt haben, für weitere Kooperationen offen sind. Im Vorfeld des Laternenfests haben uns vor allem Anfragen zum Ablauf erreicht, aber auch sehr nützliche Hinweise auf mögliche Synergien.

«Welche Bedeutung will und kann ein Museum für die Bevölkerung einnehmen? Für mich eine zentrale Frage.»

Im Rahmen von paul&ich agiert das Zentrum Paul Klee auch als Austauschplattform für die Quartierbewohner*innen.

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Konntest du Unterschiede bei den verschiedenen Quartieren erkennen?

Es lassen sich schon gewisse Tendenzen ausmachen. Die Mehrheit der Leute, die sich am bisherigen Prozess beteiligt haben, haben Zeit und Musse, sich zu engagieren. Die Meisten verfügen über eine Tertiärbildung und etwa die Hälfte der Beteiligten ist pensioniert. Dies spiegelt die soziodemografische Situation vieler umliegender Quartiere wider. Es gibt aber auch Quartiere aus der nahen Umgebung des Zentrums Paul Klee, die bisher im Prozess nicht vertreten sind. Im kommenden Jahr werden wir den Fokus verstärkt auf den Austausch mit diesen Nachbar*innen legen.

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Gab es bestimmte Missverständnisse, als du mit den Bewohner*innen ins Gespräch gekommen bist?

Anfangs war ich verschiedentlich mit der Annahme konfrontiert, es handle sich bei paul&ich um eine Marketingoffensive. Es gab auch Leute, die befürchteten, es würde sich bald alles in heisse Luft auflösen. Diese Annahmen konnte ich im Gespräch zum Glück relativieren. Unser Ziel ist es, dass die Haltung von paul&ich bis zum Projektende so stark im Haus verankert ist, dass die Mitwirkung und die Projekte, die daraus erfolgt sind, weitergehen.

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Wird aus deiner Sicht die Bedeutung von Community Building für Museen weiter zunehmen?

Community Building oder Outreach sind Themen, welche die Museen international schon seit geraumer Zeit umtreiben. In der Schweiz nimmt der Diskurs sowie die Anzahl zugehöriger Projekte derzeit stetig zu. Das Interesse unter Museumsund Kulturschaffenden an der Thematik ist gross, es gibt mittlerweile sogar Förderinstrumente in diesem Bereich.

Eva, vielen lieben Dank für das Gespräch!

«Ein Vertreter eines Quartiervereins hat einmal festgestellt: ‹Es freut einen halt schon, gefragt zu werden.›»

Über 200 Laternen aus dem Quartier erleuchteten das Zentrum Paul Klee beim Bauhaus Laternenfest 2019.