Trudy Schlatter
Frau, Rückenansicht, 1946
Nur die entblössten Schultern des Rückens sind von der Frau zu erkennen. Sie trägt ein lilafarbenes Nachthemd mit weisser Spitzenbordüre. Mit der rechten Hand fährt sie sich in die hochgesteckte Frisur, als wolle sie diese richten. Oder wird sie gleich mit ihren zartgliedrigen Fingern die schwarze Schlaufe lösen, die die blonden Haare noch zusammenhält? Eine kleine Locke kringelt sich bereits in ihren Nacken. Auch der Träger des Negligés ist über ihre rechte Schulter geglitten. Ist der Griff zum Hinterkopf ein Versuch der Kontrolle im Moment der Entgleitung? Ein Verlegenheitsgestus? Es scheint, als würde die Dargestellte kurz innehalten. Oder wartet sie? Der zugezogene Vorhang im Hintergrund verleiht der Szene eine gewisse Diskretion. Trudy Schlatter zeigt hier den Ausschnitt eines intimen Augenblicks aus nächster Nähe. Die Betrachter*innen schauen dicht am üppigen, in dicken Farbschichten aufgetragenen Oberkörper empor, als würden sie neben der Dargestellten liegen. Trudy Schlatters Werk ist geprägt von unterschiedlichen Frauenbildnissen, die in der Malerei wie in der Zeichnung eine wichtige Konstante bilden.
Laura Bohnenblust
Leichte Sprache
Der schmale Träger ist von der Schulter gerutscht.
Wir sehen mehr vom nackten Rücken
als vom lila Hemd mit Spitzen.
Wird sie nun die Haar-Schleife lösen?
Das Gesicht der Dame bleibt uns verborgen.
Umso intimer scheint der Moment.
Ist sie müde vom Tag?
Oder wird sie gleich aufstehen?
Die Mal-Weise mit dicken Farb-Schichten
betont den üppigen Körper der Frau.
Sara Smidt