Hans Gerber
der Blinde, 1950
Es ist förmlich spürbar, wie Hans Gerber mit flüssigem und gleichzeitig suchendem Strich nebeneinander gefügter Linien das Bildnis eines Blinden festhält. Als würde er damit die Unschärfe und das verschwommene Bild wiedergeben, die bei mangeln-der Sehkraft aufkommen. «Der Blinde» schaut mit leicht abgewandtem Blick von uns weg, und sein rechtes Ohr tritt in Erscheinung, womit er auch hauptsächlich das Geschehen in der Nähe und Ferne wahrnimmt. Die Augenbrauen leicht gesenkt und den Mund ein Spaltbreit geöffnet, erscheint er nachdenklich, eher melancholisch. Möglicherweise «fokussiert» er auf einen Gedanken, auf eine innere Vorstellung, von dem, was er gerade vernimmt und hört oder erinnert.
Mit der Zeichnung aus seiner späteren Schaffensphase mag Hans Gerber auch philosophischen und kunstgeschichtlichen Fragen nachgehen: Etwa dem Paradox des Blinden, nicht Sehenden im Medium des Sehens, des Bildes. Oder der Frage nach den Bildern, welche Blinde wie Sehende durch eigene «Sichtweisen» auf Inneres und Äusseres wahrnehmen.
Marc Munter
Leichte Sprache
Der Mann schaut von uns weg.
Er wirkt nach-denklich.
Die Augen-brauen betonen die Augen.
Der Mund ist leicht offen.
Er ist blind.
Der Künstler zeigt uns sein Ohr.
Vielleicht hört der Mann etwas
und er stellt sich ein Bild vor.
Die Striche zeigen keine scharfen Umrisse.
Alles ist verschwommen.
Wie ein getrübter Blick.
Wir sehen eine Zeichnung
zum Nicht-Sehen.
Sara Smidt