Neu in der Sammlung: Die Schenkungen der Rupf-Stiftung
Anlässlich der letzten Sitzung der Thuner Kommission für bildende Kunst (KobiK) Mitte März 2022 wurde ein nicht alltägliches Geschenk von fünf Werken unterschiedlicher Schweizer Künstler in die Sammlung des Kunstmuseums Thun aufgenommen: Von der Hermann und Margrit Rupf-Stiftung, die seit ihrer Gründung 1954 am Kunstmuseum Bern beheimatet ist, erhielt das Kunstmuseum Thun je ein Werk von Samuel Buri, Théo Gerber und Peter Stämpfli sowie zwei Arbeiten von Christian Megert. Damit wird insbesondere der Sammlungsschwerpunkt der Pop Art aus den 1960er- und 70er-Jahren sowie deren Ausläufer bis in die 1990er-Jahre vertieft und akzentuiert.
EINE GROSSZÜGIGE GESTE
Hermann und Margrit Rupf haben zu Lebzeiten eine hochkarätige Sammlung von Werken der klassischen Moderne zusammengestellt, darunter Arbeiten von Paul Klee, Meret Oppenheim, Pablo Picasso und Wassily Kandinsky. Nach ihrem Tod 1962 wurde die Sammlung stetig um zeitgenössische Kunst erweitert.
Jedoch haben sich die Erwerbskriterien über die Jahre verändert und die Sammlung hat an Stringenz eingebüsst. Der Stiftungsrat beschloss darum, sich von einzelnen der nach 1962 erworbenen Werke wieder zu trennen, diese aber dennoch für die Öffentlichkeit zugänglich zu lassen. Einige Sammlungsstücke der Rupf-Stiftung wurden daher verschiedenen Schweizer Museen unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Sammlungsstrategien als Geschenke angeboten.
EIN SELTENER GLÜCKSFALL
Neben den Werken von Samuel Buri und Peter Stämpfli, die sich inhaltlich und formal vorzüglich ins Thuner Sammlungsprofil einfügen und hier bereits vorhandene Bestände beider Künstler ergänzen, ist auch ein Gemälde des in Thun geborenen Théo Gerber (1928—1997) neu in die Sammlung eingegangen. Schon im vergangenen Jahr waren dem Kunstmuseum Werke dieses Künstlers aus der Sammlung des Basler Bau- und Verkehrsdepartements angeboten worden; drei Gemälde wurden schliesslich auch erworben. Seitdem ist im Kunstmuseum eine umfassende Einzelausstellung des heute weitgehend unbekannten Théo Gerber in Planung; sie wird im Frühjahr 2023 eröffnen. Als umso glücklicher erwies sich unter dieser Voraussetzung die Schenkung der Rupf-Stiftung an das Kunstmuseum Thun – sie kam zum idealen Zeitpunkt.
DER NEUE GERBER
Gerbers grossformatiges Gemälde von 1969 trägt den poetisch-paradoxen Titel Unsichtbare Farben erscheinen auf den Bergen, Hüften und Wolken, die ich streichle. Poetisch, weil sich Gerber, von Haus aus Landschaftsmaler, hier in surrealistische Gefilde wagt, und die Landschaft mit «Bergen […] und Wolken» durch die «Hüften», die der Maler mit Farbe «streichelt», eine beinahe körperliche Qualität erhält. Paradox aber auch, da Farbe an sich nicht unsichtbar sein kann. Und das ist sie in Gerbers ausdrucksstarkem Werk auch nicht, ganz im Gegenteil: Sie spielt die eigentliche Hauptrolle und taucht in diversen Erscheinungsformen auf. Auch Versatzstücke von Körpern finden sich über die Bildfläche verteilt – die Landschaft wird indes in einem vergleichsweise kleinen Fenster am linken unteren Bildrand thematisiert. Die Bergkette, die darin zu sehen ist, scheint jener auf der gegenüberliegenden Seeseite frappant ähnlich. Mit dem Niesen im Herzen ist Gerbers Gemälde eine ideale Schenkung für das Kunstmuseum Thun.