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Balthasar Burkhard - Voyage

04. Februar – 25. März 2001
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Balthasar Burkhard

Es ist noch nicht allzu lange her, da war unsere Vorstellung von der weiten Welt gespiesen von Beschreibungen aus der Reiseliteratur oder von Bildern – Stichen, Gemälden und später Fotografien – die professionell Reisende mit nach Hause brachten. Erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit dem Aufkommen des Massentourismus, gehört es zur selbstverständlichen Erfahrung, Erscheinungen aus anderen Weltgegenden, sei es die Wüste, das Meer oder die Städte, aus der eigenen Anschauung zu kennen. Mit dem globalisierten Bilderfluss hat das individuelle Seherlebnis aber wieder an Bedeutung verloren. Eigene Erfahrungen vermischen sich, werden gleichgeschaltet mit Sekundärerfahrungen aus Medien oder Netz. Medieneuphoriker wie auch -skeptiker konstatieren mit unterschiedlichen Wertungen die schwindende Bedeutung physisch-realer Erlebnisse. Balthasar Burkhard ist Fotograf und damit ist er Zeuge des Realen. Er macht Bilder angesichts der sichtbaren Wirklichkeit. Die in diesem Buch versammelten Foto- grafien sind alle während Reisen entstanden und reichen von den Japanbildern aus den 80er Jahren bis zu den Schottischen Meerlandschaften aus jüngster Zeit. Balthasar Burkhard reist um zu fotografieren, ohne ein passionierter Reisender zu sein. Es ist nicht das Unter- wegssein an sich, das ihn fasziniert. Ihn treiben die Bilder, die als innere Vorstellungen entstehen und deren Begegnung er in der Realität sucht. Die Bilder haben im Kopf des Künstlers eine imaginäre Existenz, bevor sie als Fotografie ein reales Dasein erhalten. Bei der Ausführung ist dann wenig dem Zufall überlassen, mit Ausnahme der nur bedingt kalkulierbaren Begegnungen der Kamera mit wilden Tieren. Die Reise-Fotografien sind den drei elementaren Bild- themen Tier, Stadt und Landschaft zuzuordnen. Innerhalb dieser Grundmotive gibt es bloss noch Fein- unterteilungen. Die Landschaft manifestiert sich bei- spielsweise als Meer, Quelle, Insel, Berg, Wüste oder Wolke. Doch jedes Bild ist mit einem einfachen Begriff benennbar. Die Aufnahmen sind in ihrem unendlichen Detailreichtum sehr klar und in einer bedingungslosen Konzentration einem definierten ästhetischen Objekt verpflichtet. Neben einer bildhaft-narrativen Seite haben sie auch eine vom Dinglichen losgelöste abstrakte Komponente. Hier liegt kein Widerspruch begraben, ist es doch eine Frage der Anschauung, ob ein visueller Eindruck gegenständlich oder ungegenständlich gelesen wird. Wenn wir uns vom «was», dem Motiv, dem «wie», der künstlerischen Umsetzung, zuwenden, dann sehen wir die Möglichkeiten des Mediums Fotografie an sich thematisiert. Zwei das Medium konstituierende Elemente, der Ausschnitt und der Kamerastandpunkt, kommen in frappierender Art zum Einsatz. Balthasar Burkhard wählt keine spektakulären Bildausschnitte, sondern deklariert bewusst das Fragmenthafte des Bildes. Im ganz wörtlichen Sinne schneidet er Bilder aus, und lässt diese dadurch immer über sich hinaus weisen, indem sie sich in der Horizontalen, oft auch in der Vertikalen, imaginär fortsetzen. Die drei nachfolgenden Werke, die Schottische Seelandschaft, die Flugaufnahme von Mexiko City und die Wüstenlandschaft aus Namibia, sind Beispiele für diese Art des Umgangs mit dem Fragment. Sie zeigen auch Burkhards Vorliebe für die Blickrichtung der leichten Aufsicht. Und nicht nur bei den Flugaufnahmen haben wir als Betrachtende keinen Boden unter den Füssen. Auch bei den Meerlandschaften, die vom Boot aus aufge- nommen sind, haben wir ein latent unsicheres räumliches Gefühl. Ein Gefühl des Schwebens wohnt vielen Fotos inne. Fotografie ist ihrem Wesen nach das Medium der Reproduktion, der bildhaften Wiederholung einer sichtbaren Wirklichkeit. Eine ganz andere Art von Wiederholung praktiziert der Künstler mit der Wiederholung von gewissen Motiven. Es sind kleine subjektive Reihungen, beinahe in Typologien mündend. Aus der Differenz entsteht eine Spannung. Durch die Wiederholungen werden die Dinge miteinander verwoben, tauchen in Variationen wieder auf. Es gibt nicht die eine Wolke, sondern die Wolke ist ein Muster, das sich über die Welt zieht. Balthasar Burkhards Werk ist in dem Sinne ein konzeptuelles Oeuvre, in dem das einzelne Bild innerhalb eines analytischen Gesamtprojektes verankert ist. Sein Werk ist gleichzeitig ein ganz und gar subjektives Universum. Darum ist es reizvoll zu fragen, was für ein Bild der Welt wir hätten, wenn wir sie nur über Balthasar Burkhards Reise-Fotos kennen würden. Es wäre eine stille Welt, in der nur leise Geräusche, vielleicht ein leichtes Rauschen des Windes, ein Plätschern des Brunnenwassers – aber keine Stimmen – erklingen. Eine menschenleere Welt, in der die Zeit stillgestanden scheint. Sogar die Städtebilder, Symbole einer zeitgenössischen Gesellschaft, haben keine Tages-Aktualität, sondern erscheinen erstarrt. Es wäre eine grosse, fast unendliche Welt. Es wäre ein Universum des Bedeutsamen, denn diese Bilder führen uns an Orte, die Gefühle der Erhabenheit auslösen, die uns verschmelzen lassen mit dem Hier und Jetzt, aber uns gleichzeitig auf uns selber zurückwerfen. Niemals werden die Betrachtenden dabei manipuliert, sondern lediglich sanft hingeführt.